Thomas Walther, bei Baumer hhs zuständig für Strategy & Innovation, berichtet über das Projekt Sugra, das an der Entwicklung von Klebstoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe arbeitet.
Klebstoffe sind essenziell in der Verpackungsherstellung: Sie verringern den Materialbedarf und ermöglichen leichte Verpackungen. Dies unterstützt die Ziele der neuen Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR). Trotz ihres geringen Anteils an der Gesamtverpackung beeinflussen Klebstoffe Recyclingprozesse, die Papierherstellung und den CO2-Fußabdruck
der Verpackung. Das Projekt Sugra („Sustainable Gluing with Renewable Adhesives“) adressiert dieses Thema: Das Projekt entwickelt Klebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe, die
den Recyclingprozess wenig beeinflussen und den CO2-Fußabdruck reduzieren.Diese Klebstoffe erfüllen die Anforderungen moderner Produktionstechnik. Das Ziel: eine nachhaltige Produktion ohne
Leistungseinbußen.
Stärke als natürliche Basis
Die Basis der Klebstoffe ist Stärke: Dieser natürliche Rohstoff wird in seiner natürlichen und modifizierten Form bereits intensiv technisch genutzt. Besonders bedeutend ist der Einsatz stärkehaltiger
Produkte in der Papierherstellung und -verarbeitung. Stärkeprodukte erhöhen die Festigkeit von Papier und veredeln dessen Oberflächen. In der Wellpappenherstellung wird Stärke zur Verklebung der Lagen verwendet.
Klebstoffe auf Stärkebasis sind nicht neu: Sie werden bereits in der flexiblen Papierverpackung zur Verbindung von Lagen eingesetzt. Doch die derzeit verfügbaren Stärkeklebstoffe haben klare Einschränkungen bei der Verklebung von Faltschachteln und Wellpappenkisten. Diese Einschränkungen resultieren aus langer Abbindezeit und geringem Anfangstack. Nach dem Pressvorgang öffnen sich Faltschachteln und Wellpappenkisten oft wieder, da die höhere Biegesteifigkeit dieser Materialien im Vergleich zu Papier die Tendenz zum Aufspringen des Klebespalts verstärkt. Abhilfe wäre nur durch längere Lagerung unter Druck oder stark reduzierte Produktionsgeschwindigkeit möglich – beides unwirtschaftlich für den Verpackungsherstellungsprozess.
Stärkeklebstoffe ohne Leistungseinbußen
Das Projekt Sugra zielt darauf ab, Stärkeklebstoffe zu entwickeln, die sich ohne Leistungseinbußen für die industrielle Verklebung von Faltschachteln und Wellpappenkisten eignen. Traditionell
entwickeln Klebstoffhersteller ihre Produkte für bestehendes Klebstoffauftragsequipment – ein Grund, warum viele von ihnen Baumer hhs Düsenauftragstechnik in ihren Laboren nutzen. Sugra verfolgt einen neuen Ansatz: Die Entwicklung des Klebstoffs und die Anpassung des Auftragsequipments gehen Hand in Hand. Erste Ergebnisse zeigen, dass bereits geringe Anpassungen der Baumer hhs Auftragstechnik die Performance der Stärkeklebstoffe deutlich verbessern können.
Die Verwendung von Stärke als Rohstoff steht auch in der Kritik: Lebensmittelkonkurrenz sowie Land- und Wassernutzung beim Anbau stärkehaltiger Pflanzen sind
zentrale Themen. Sinnvoller wäre es, Klebstoffe aus Abfällen der Pflanzenproduktion oder bislang ungenutzten Pflanzen zu gewinnen. Baumer hhs ist in viele dieser Forschungsansätze involviert. Kritisch zu beachten ist jedoch, dass viele dieser Ansätze sich noch in einem frühen Forschungsstadium befinden. Stärke als Rohstoff ist hingegen bereits heute in großer Menge verfügbar, was eine schnelle Umstellung auf eine nachhaltigere Produktion ermöglicht.
Kartoffeln als „Klima-Champion“
Die Wahl der Stärkequelle spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Das Projekt Sugra setzt auf die Kartoffel als „Klima-Champion“ unter den Stärkepflanzen. Laut IFEU-Institut und Umweltbundesamt hat die Kartoffel im Vergleich zu Reis einen 15-fach niedrigeren CO2-Fußabdruck und wird in den meisten Ländern lokal angebaut, was die Transportbelastung reduziert. Weitere Aspekte sprechen für Stärke
als Verpackungsklebstoff. Stärke ist ein wichtiger Bestandteil von Papieren, daher kennen Recyclingbetriebe den Umgang mit Stärke im Recyclingprozess gut. Die geringe Menge an Klebstoffen erhöht weder die Abwasserbelastung noch den Sauerstoffbedarf. Stärkeklebstoffe lassen sich zudem im Recyclingprozess gut auswaschen. Ein weiterer Vorteil ist die Farbe: Stärkeklebstoffe sind milchig und bilden im abgebundenen Zustand eine hellweiße bis leicht transparente Schicht. Dies ist ein Vorteil gegenüber anderen bio-basierten
Klebstoffrohstoffen wie Lignin, die teilweise eine sehr intensive Einfärbung aufweisen.
Modifikation von Stärken
Die Fachexpertise der Klebstoffentwicklung stammt vom Fraunhofer Institut IAP in Potsdam, das über langjährige Erfahrung in der Modifikation von Stärken verfügt. Das Fraunhofer IAP entwickelt die Basis des Stärkeklebstoffs und verbessert diesen iterativ in enger Abstimmung mit den Projektpartnern. Die Lebensmittelkonformität der Klebstoffe wird durch die sorgfältige Auswahl der Rohstoffe gewährleistet.
Die Forschungsstiftung der Papierindustrie liefert den Nachweis der Eignung der entwickelten Klebstoffe. Dabei werden die Klebekraft geprüft und die Recyclingfähigkeit nach anerkannten Standards bewertet. In diesem Rahmen werden Messverfahren weiterentwickelt, insbesondere um die Bedingungen schnelllaufender Produktionsmaschinen simulieren zu können. Benchmark sind etablierte synthetische Dispersionsklebstoffe. Baumer hhs führt als Konsortialführer des Projekts Sugra Auftragsversuche in seinem Solution Center durch. Der Fokus liegt dabei auf
der Verarbeitbarkeit und Auftragsqualität der Klebstoffe. Die Versuche werden mit produktionsnahen Geschwindigkeiten durchgeführt. Ein weiterer Ansatz des Projekts ist die gezielte Weiterentwicklung des Auftragsequipments, um den speziellen Anforderungen der Stärkeklebstoffe gerecht zu werden.Die Praxiserprobung in realen Produktionsumgebungen erfolgt bei den Industrie-Projektpartnern.
Förderung der ganzheitlichen Produktion
Die Förderung der ganzheitlichen Produktion intern und extern bei unseren Kunden ist eine zentrale Säule der Baumer hhs Geschäftsstrategie. Baumer hhs hat dieses Projekt initiiert, um den Wandel zu nachhaltigeren Verpackungen aktiv zu unterstützen. Baumer hhs ist offen für weitere Kooperationen und fördert aktiv andere Partnerschaften. Das Projekt wurde erstmals auf der drupa 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt und stieß insbesondere bei Markenartiklern auf großes Interesse, die die Entwicklung zu nachhaltigeren Verpackungen unterstützen. Das Projekt befindet sich in der Halbzeit und setzt die Entwicklung sowie die Verifizierung der Ergebnisse fort. Ein besonderer Dank gilt der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), dem Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, die das Sugra-Projekt unter dem Förderkennzeichen 2220NR168A fördert.